Nicht alles kannst du abwischen wie eine Träne.

Ich habe nachgedacht die Tage. Zu viel, finde ich, denn ich bin müde geworden, so müde, dass ich gar nicht mehr richtig wach werde und mein Kopf mehr am Hals hängt als das er steht. Doch wie soll man sonst mit Fragen umgehen, die wie hungrige Bienen im Kopf hin und her fliegen? Summ. Summ. Leider reicht meine Fliegenklatsche nicht durch mein Ohr, sonst hätte ich es wahrlich getan. Etwa so: Summ. Summ. Klatsch. Klatsch.
Und dann waren da noch die Begegnungen mit der Ohnmacht, der Sprachlosigkeit, der Betroffenheit, die mir bis ins Bett gefolgt sind, leise, aber bestimmt. Sie waren das Letzte, was ich vom alten Tag auf der Haut spürte und sie waren das Erste am Morgen, das sich zwischen den Schlaf in die müden Augen gelegt hat. Ich kann sie nicht ignorieren, da auch sie eine Berechtigung zu leben haben, bei mir zu sein. Und doch fällt es mir schwer, mit ihnen die Atemzüge zu teilen. Sie machen mich alt, obwohl ich jung bin. Sie machen mich schwer, obwohl ich leicht bin. Sie machen mich träge, obwohl ich flink bin. Sie bohren mir kleine Löcher in mein Haus, die ich nicht schnell genug flicken kann. So sitze ich schließlich mit einer Tasse heißen Tee am Küchentisch und friere. Einzig der Dampf, der sich an meine Wimpern festsetzt, erinnert mich daran, dass ich etwas Warmes zwischen den Fingern halte. Und in alldem taucht sie irgendwann auf, die nackte Erkenntnis, dass man nicht über alles nachdenken kann. Manches ist einfach da, bleibt bei dir, klebt an dir und zerrüttet dich. Du kannst es nicht abwischen wie eine Träne, aber du kannst es in die tiefste Tasche stecken, heimlich verstecken und damit durch die Straßen laufen. Das Ganze vergessen und hinter dir lassen. Laufen, laufen. Vielleicht auch weinen, weinen. Irgendwann Regentropfen schmecken, Blumen ins Haar stecken und bunte Steine sammeln. Ehe du dich versiehst, fühlst du dich leichter, deine Tasche ist leer und es ist weg. Verschwunden. Und du stehst in der Morgensonne, lächelst, einfach so, aus vollem Herzen wie schon lange nicht mehr und denkst: Endlich.

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Nicht alles kannst du abwischen wie eine Träne.

  1. Guten Morgen,
    dieses sprachliche Kleinod muss mir irgendwie entgangen sein. Diese Gedanken treffen so sehr den Kern der Dinge, dass ich sprachlos zurückbleibe, versuchen werde den Ballast abzuwerfen und einfach durchatmen möchte.
    Vielen Dank für diese wunderbaren Worte!
    Herzlichst Antje

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